Der Morgen, ein älteres deutsches Feldmaß, bezeichnet ursprünglich das Stück Land, das man an einem Morgen pflügen kann; aus heutiger Perspektive schwankt er regional zwischen ca. 0,255 ha (in Preußen) und 1,2 ha (in Oldenburg).
Die Flächengröße ist dabei je von den geologischen Gegebenheiten, dem Wetter, dem Ochsen und dem Bauern, aber natürlich auch von Beginn und Ende des Morgens abhängig. Trotzdem war der Morgen lange eine gültige Maßeinheit.
Heute sind die Parameter Raum und Zeit voneinander losgelöst und folgen eigenen Messungen, die sie objektivierbar zu machen scheinen. Und doch sind Raum und Zeit immer auch subjektiv: Wir erleben eine Zeit kurz oder lang, einen Raum groß oder klein, einen Weg weit oder nah; dabei bedingen sich Zeit und Raum unablässig. In dem Zeichenprojekt 24 Morgen hat sich Hiltrud Gauf sowohl mit der Relativität als auch der Kopplung von Raum und Zeit der traditionellen Maßeinheit beschäftigt. Sie hat jeden Tag nach dem Aufstehen bis zum Mittag ‚einen Morgen‘ gezeichnet.
Die Zeichentechnik blieb die gleiche, aber analog zu den differierenden Bedingungen beim Pflügen hat die Künstlerin täglich neues Zeichenmaterial verwendet: Bleistifte in verschiedenen Härtegraden, Wachsstift, Kugelschreiber, Tusche, Kohle, Kreide, Filzstift u.a.. Entstanden sind immer andere Flächen, die dank des Materials, aber auch durch die Länge des Vormittags und der jeweiligen Tagesform in der Größe extrem variieren. Im Zusammenspiel der Morgen sehen wir Säulendiagramme, die Messungen widerspiegeln und gleichzeitig entdecken wir einzelne Felder, die durch die Grau- und Brauntöne den Bogen zum gepflügten Land schlagen.
Zyklus aus 24 Blättern
Unterschiedliche Materialien auf Papier
107 x 76 cm
2011